Die Schmedestedtsche Madonna

An der südlichen Außenseite der Chorschranke steht in einer Nische die sogenannte Schmedestedtsche Madonna. Dabei handelt es sich um eine Sandsteinfigur, die vor 1352 geschaffen wurde. Für dieses Jahr ist die Stiftung einer "ewigen Lampe" vor der Skulptur bezeugt.

Die Madonnendarstellung fällt besonders durch die geschwungenen Formen des Gewands und das eigenartig greisenhafte Gesicht des Kindes auf. Sie wird als eine der vorbildhaften Figuren für die gesamte Bildhauerei in der Mitte des 14. Jahrhunderts in Mitteldeutschland angesehen.

Im Ausstellungskatalog zur bayrisch-tschechischen Landesausstellung zu Karl IV, schreibt Jiri Fajt, der Generaldirektor der Nationalgalerie Prag:

"Die Marienskulptur (sog. Schmedestedtsche Madonna) gehört zusammen mit der Kreuzigungstafel zur ursprünglichen Ausstattung der Chorschanke. Sie fasziniert durch die rhythmische S-Form des schlanken Körpers, die im oberen Bereich noch durch die anliegende Draperie unterstrichen wird; darunter treten die Körperformen plastisch hervor. Der untere Teil des Körpers wird von einer dichten Ansammlung langer vertikaler Stofffalten dominiert, die die Position der Beine verbergen. Die sinnliche Getaltung des festen Körpers gipfelt in dem zarten, von Emotionen geradezu glühenden Mädchengesicht der Gottesmutter, die ihren Blick ins Unbestimmte schweifen lässt, als halte sie ergeben nach Zeichen des Schicksals Ausschau. Ihre rechte Hand umfängt einen Rosenzweig, das Symbol seiner späteren Leiden und des Kreuzopfers, während seine Rechte ein nicht näher bestimmbares Gefäß umschließt. Mit dem idealisierten Porträt der Mutter kontrastiert das greisenhafte Gesicht des kleinen Kindes. Sein rundes Antlitz mit unruhigen Augen zieht den Blick des Betrachters auf sich. Duch den herausfordernd gebeugten halb nackten Körper und die geöffneten Lippen mit der leicht hervortretenden Zunge scheint es das Geheimnis seiner irdischen, auf Erlösung zielenden Lebensreise verraten zu wollen.
Die Madonna, eine der bemerkenswertendsten Marienstatuen in Mitteldeutschland, reagiert auf die damals moderne Hinwendung zur aktuellen Pariser Kunst, was in der Fülle der Körperfomen bzw. der betonten Sinnlichkeit im Ausdruck deutlich wird. Diese neue Form der künstlerischen Kommunikation konnte sich in Erfurt gerade im Umfeld der gebideten Dominikaner durchsetzen, die mit den aktuellen Tendenzen der Pariser Gesellschaft vertraut waren [...]
Die künstlerische Herkunft des Schöpfers der Dominikaner-Madonna wird am Mittelrhein zu suchen sein, in der Gegend zwischen Trier und Mainz."
(Fajt, Jiri und Hörsch Markus [Hrsg.]: Kaiser Karl IV. 1316-2016. Prag 2016, S. 533)