Auf der Nordseite des hohen Chores sind die einzigen erhaltenen mittelalterlichen Fenster der Predigerkirche zu sehen. Da sie während des Zweiten Weltkrieges in den Kellern des Dombergs ausgelagert waren, haben sie die Angriffe unbeschadet überstanden.
Es handelt sich um vier vorwiegend ornamentale Fenster in den Formen eines spätromanischen Teppichmusters. Sie sind unverändert aus dem späten 13. Jahrhundert überliefert.
Südliches Seitenschiff
Im Südlichen Seitenschiff wurden 1891 farbige Fenster geschaffen und eingebaut. Sie wurden aus Spenden finanziert. Einige Fenster in Teppichmuster durch die Firma W. Franke, Naumburg. „Der Gedanke und die Ausführung fand solchen Anklang, dass in kurzer Zeit auch die übrigen vier Fenster des südlichen Seitenschiffs mit Glasmalerei versehen werden konnten …" Darunter befand sich ein Lutherfenster und eins mit Johannes dem Täufer. Die Einweihung der Fenster erfolgte am 6.9.1891.
Hoher Chor
Im Hohen Chor wurden 1897-1898 Fenster im Stil der frühen Gotik geschaffen. Sie wurden von Prof. Alexander Linnemann, Frankfurt/M, lebensgroß figürlich entworfen und ausgeführt. Die Motive waren von links nach rechts: Weihnachten, Ostern, Karfreitag. Nur vom Entwurf des Weihnachtsfensters ist im Linnemann-Archiv ein Bild vorhanden. Die Vorstellung dieser Fenster vor der Gemeinde erfolgte am zweiten Osterfeiertag 1898.
Alle Fenster gingen bei Angriffen im Zweiten Weltkrieg zu Bruch.
Scherben bleiben Scherben. Bruchstücke bleiben Bruchstücke.
Manchmal aber fügen sich die Scherben zu einem Mosaik, in dem eine Schönheit ist. Manchmal enthüllt sich in dem, was bruchstückhaft geblieben ist, ein Kunstwerk.
Heil heißt nicht unbedingt, dass das Zerbrochene wieder ganz wird. Heil lässt aus Bruchstücken etwas Neues entstehen, in dem das Leben anders als vorher schimmert. Für mich sind das österliche Momente, in denen spürbar wird, dass die Liebe stärker ist als der Tod. (Tina Willms)
Nachdem die Fenster der Predigerkirche am Ende des Zweiten Weltkrieges bis auf wenige Reste zerstört worden waren, hat der Glasmaler und Restaurator Heinz Hajna aus den Scherben der zerborstenen Fenster die einzigartigen Trümmerfester im nördlichen Schiff und in der Apsis des Hohen Chores geschaffen. Das neue Bild ist ein Kaleidoskop aus Tausenden farbiger Scherben. Da und dort erkennt man die Bruchteile alter Muster und Buchstaben. Nach unserer Kenntnis sind dies weltweit die einzigen Fenster ihrer Art. Sie zeugen von der Kunstfertigkeit des Restaurator genauso, wie von der Farbenpracht der Glaskunst vergangener Zeiten.
Heinz Hajna hätte am 09. Februar 2013 seinen 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass haben wir gemeinsam mit dem Initiativkreis Barfüßerkirche ein Faltblatt mit Informationen zu den Trümmerfenstern und zu Heinz Hajna gemacht. Außerdem können Sie hier seinen Lebenslauf herunter laden.
Die Fenster aus dem 19. Jahrhundert waren im Zweiten Weltkrieg nicht ausgelagert worden und sind vollständig zerstört worden.
Noch im Herbst 1951 waren 16 von insgesamt 36 Fenstern mit Brettern verschalt, darunter die Fenster im Hohen Chor.
Aus einer Korrespondenz zwischen Pastor Dr. Benckert und dem Glaskünstler Markus von Gosen (Prien am Chiemsee) 1951-1952 ging hervor, dass zunächst eine figürliche Gestaltung der drei mittleren Fenster im Hohen Chor geplant war. Die finanzielle Lage im geteilten Deutschland verhinderte den Auftrag.
Nach einer Idee von Pastor Benckert entstanden bereits 1950 erste Fenster über der nördlichen Seitenpforte aus den Scherben der alten Fenster.
Der Einfall, für den Einbau der „Trümmerfenster“ Scherben alter Kirchenfenster zu nutzen, weckte bei dem „unbeschreibbar findigen Handwerksmeister“ Heinz Hajna eine Erinnerung an ein Kaleidoskop wie in der Kinderzeit. Hajna ließ Scherben und Bleisprossen sammeln, sortieren und in Kisten verpacken
Noch 1966 war die Frage umstritten, ob die Trümmerfenster als Provisorium noch ersetzt werden sollten. Die Architektin Dr. Käthe Menzel-Jordan schrieb damals, dass die Trümmerfenster "infolge des Vorherrschens bestimmter Farbtöne dem Chor eine ungünstige Beleuchtung geben und durch die Kleinheit der Bruchstücke zu unruhig wirken. Hier wartet noch eine Aufgabe auf ihre Lösung."
Der Gemeindekirchenrat allerdings hielt an den Trümmerfenstern fest. Heute sind wir froh, dass wir dieses einzigartige Kunstwerk in unserer Kirche haben.
Bei einer Führung für eine Gruppe schottischer Vikarinnen und Vikare war David McNeish zutiefst beeindruckt von unseren Trümmerfestern. Das unten stehende Gedicht schickte er uns später per E-Mail. Anne Bezzel hat es ins Deutsche übertragen:
Devotion left stains in glass, Every window a prayer for illumination. Sunwarmed stories dappled the faithful In a spectrum of partial submission to light. | Frömmigkeit hinterließ bunt leuchtendes Glas Jedes Fenster ein Gebet um Erleuchtung Sonnenerwärmte Geschichten zeichneten die Gläubigen, in einem Spektrum, halb unterworfen dem Licht. |
Later, from out of the sky Fire rained down. Lives and windows blown out As payloads emptied vitriol. | Später, aus heiterem Himmel Regnete Feuer herab Leben und Fenster ausgelöscht Als Bomber ausgossen Bitterkeit. |
The bleak, ashed silence. Broken by footsteps, Treading pieces of disbelief Asking. | Die trostlose, in Asche liegende Stille, durchbrochen von Schritten, Bruchstücke der Ungläubigkeit betretend, Fragend. |
Wings flutter gently, As inspiration takes flight. Windows can be reformed Through the salvage of every sharp edged remnant. | Behutsam regen sich Flügel Als Eingebung sich emporschwingt Fenster können wieder geformt werden retten wir nur jedes scharfkantige Überbleibsel. |
Let us line our brokenness in lead, And reflect upon it often. | Lasst uns unsere Zerbrochenheit in Blei fassen Und uns in ihr spiegeln so oft wir vermögen. |
So I sit and gaze Gleaning courage from the gleaming Perhaps, after all, There can be a place for my shattered faith. | Und so sitze ich und schaue und fasse Mut in jenem Leuchten. Vielleicht, eines Tages, Mag einen Ort es geben für meinen zetrümmerten Glauben. |